Die "wilden Jungs" aus Vlotho
und ihre Heinkel-Roller

Heinkel, bei diesem Namen denken alle sofort an das bekannte Flugzeug Heinkel He. Etwas später kommt bei vielen noch der Gedanke: Ach die haben ja auch einmal einen Kabienenroller gebaut! Aber die Firma hat auch einen Roller gebaut - einen sehr guten sogar. In Vlotho wurde dieses Zweirad von vielen gefahren, ebenso wie die Triumph Contessa. Da lag der Gedanke nahe einen Verein zu gründen, es geschah. Das war am 9. September 1957. Das besondere: Den Verein gibt es auch heute noch, 40 Jahre später.

„Es ist phänomenal, das der Verein so stabil geblieben ist, betonte Heinz Koch, der seit 1969 Präsident der derzeit 14 Vereinsmitglieder ist. In den ersten Jahren gab es zahlreiche Mitgliederschwankungen - Beim ersten Jahresfest bei Twelsiek 1958 waren es 40 Mitglieder. Von den sieben Gründungsmitgliedern sind mit Gerhard Barkmin, Herbert Diekmann, Bernhard Karger, Karl-Heinz Kelle, Heinz Koch und Günther Lenger bis auf einen auch heute noch alle dabei.

„Wir haben eine super Kameradschaft, so Schriftführer Günther Freitag. „Toleranz, andere Meinungen gelten lassen, über alles beraten und immer versuchen alle auf einen Nenner zu bringen“, sind für Heinz Koch weitere Gründe für die Beständigkeit des Vereins.

Natürlich steht aber heute nicht mehr der Roller im Mittelpunkt des Vereinslebens, dort steht nun die Geselligkeit. Feste werden gefeiert, Kegelabende („früher unser Ausgleichssport“) organisiert, Fahrten durchgeführt und einmal im Monat findet ein Treffen der Mitglieder statt - bis 1984 Jahren starteten die Mitglieder auch jährlich zu großen Busfahrten.

Seit 1964 haben sich die Roller nach und nach aus dem Mittelpunkt verabschiedet - die Gründe waren einleuchtend. „Wir hatten Familie, ein oder mehrer Kinder und sind auf den Pkw umgestiegen“, so Heinz Koch. Im Gründungsjahr hat freilich noch keiner der Mitglieder an einen eigenen Wagen gedacht. Das erste Geld wurde anderweitig investiert: In einen Roller.

„Wir waren alle in der Lehre“, so Heinz Koch, mit dem ersten Geld wurde das Zweirad angeschaft. Rund 800 Mark Anzahlung, der Rest auf Raten. Heute erscheint das nicht viel. Der zweite Vorsitzende Walter Krüger klärt aber auf: „Damals verdienten wir in der Stunde rund eine Mark“. Die Mitglieder sind fast alle ein Alter (bei der Gründung zwischen 18 und 22 Jahre alt). „Daher gibt es bei uns die Feste, wie zum Beispiel Silberhochzeiten oder 60te Geburtstage, immer auf einen Haufen“, berichten die drei Vorstandsmitglieder ein wenig schmunzelnd.

„Viele betrachteten uns damals mit Skepsis“, waren sich alle einig. Ein motorisierte Clubs waren etwas völlig neues. „Hier waren Jäger, Schützen, Feuerwehr oder Reiter die etablierten Vereine“, versuchte Heinz Koch die Voreingenommenheit zu erläutern.

Die “wilden Jungs auf ihren Feuerstühlen“ waren in Vlotho stadtbekannt. Wenn es in der Stadt röhrte und dröhnte wußten alle bescheid: „Die Jugens treffen sich auf dem Kirchplatz“. Es waren wirklich nur Jungens, „wir waren alle noch ledig“, später waren die Ehefrauen aber immer mit dabei.

Das erste Treffen auf dem Kirchplatz der St. Stephans-Kirche fand am 13. April 1957 statt. Von hier aus wurden zahlreiche Fahrten in die Umgebung unternommen. Nach und nach verstärkten sich die Gedanken einen Club zu gründen. Nach einigen lockeren Besprechungen machten sich die Heinkl- und Contessefahrer dann auf die Suche nach einem Vereinslokal.

„Wir wollten einen zentralen Ort“, so Heinz Koch. Das Gasthaus Keller sollte es sein, der Wirt zeigte kein Interesse. Auch bei den Rathsstuben wurde man nicht fündig. Durch Zufall wurde dann das neue Vereinslokal gefunden: Die Gaststätte „Zur wilden Sau“ von Hillebrandt.

Nun wurden alle die einen Heinkel- oder Triumph-contessa-Roller fuhren angesproche - zur ersten Sitzung am 9. September 1957 erschienen schließlich 14 Interessierte. Voraussetzung war einen Roller zu besitzen. 1961 wurde die Satzung dann dahingehend geändert, daß jeder, der einen Pkw-Führerschein besaß eintreten konnte.

„Der Verein bezweckt die Pflege des Motorsports und gibt Gelegenheit zur Anleitung, sich mit Fahrzeugen im modernen Straßenverkehr sicher zu bewegen, sowie zu sportlicher Kameradschaft“, so lautet Paragraph vier der Vereinssatzung. Die Hintergedanken bei der Gründung erläuterten Heinz Koch, Walter Krüger und Günter Freitag, dabei war nicht zu übersehen, wie ihre Augen glänzten - Es muß eine schöne Zeit gewesen sein!

Ein Bestreben war es, daß sich alle im Straßenverkehr diszipliniert verhalten. Aus diesem Grund wurde auch zwei oder drei Mal im Jahr die Polizei eingeladen. Gut in Erinnerung geblieben ist bei allen noch die Vorführung des Promillemeßgerätes: „Einer wurde auserkoren und mußte trinken. Zwischendurch mußte er pusten und die Promillezahl wurde festgestellt“. Außerdem wurden auf Parkplätzen vereinsinterne Geschicklichkeitsfahrten durchgeführt. Die öffentlichen Veranstaltungen des Clubs bei Hillebrandt fanden großen Zuspruch.

„Ob Regen oder Schnee, wir sind früher immer gefahren“, erinnert sich Heinz Koch. Die Woche über wurde gespart, gefahren wurde dann am Sonntag. Längere Fahrten waren finanziell nicht drin - die Touren führten zum Dümmer, in den Harz oder zum Steinhuder Meer. War das Ziel von den Mitgliedern beschlossen arbeitete der Fahrtleiter die Tour aus.

Dann ging es ab! Die Heinkel (175 ccm bei 9,5 PS) und die Contessa (200 ccm bei 10,5 PS) unterschieden sich ein wenig in der Geschwindigkeit. Um alle zusammenzuhalten durfer der Fahrtleiter (er fuhr an der Spitze) nicht überholt werden. In kleineren Gruppen waren die Fahrten manchmal länger: Salzburg, Königssee und drei Vereinsmitlglieder fuhren sogar 1960 zu Einweihung des Atomiums nach Brüssel.

Fotos aus dieser Zeit gibt es nur wenige. „Das Geld ging für den Roller drauf, da war es eine Sensation, wenn einer ein Bild machen konnte“, blickt Heinz Koch zurück.

Die „wilde Sau“ ist nun nicht mehr das Vereinslokal. Nach zehn Jahren wechselten der Club zur Gaststätte „Zur Höhe“ auf der Lohe und anschließend zur „Amselschänke“, wo der Club auch noch heute zu den Treffen zusammenkommt.

Der Heinkel- und Contessa-Club war aber nicht nur in der Weserstadt bekannt. Mitglieder kammen aus einen Umkreis von 30 Kilometern: Kalletal, Rehme, Bad Oeynhausen, Löhne, Gohfeld und Möllbergen. Für das harmonische Vereinsleben spricht auch eine weitere Tatsache. Der Vorstand mit dem ersten Vorsitzenden Heinz Koch, dem zweiten Vorsitzenden Walter Krüger, Kassierer Paul Timmerberg und Schriftführer Günther Freitag ist seit 1969 ohne Veränderung im Amt!

Dieser Verein war jedoch nicht der einzige Motorsportclub in der Wesrestadt. 1967 wurde ein Verein für Dürkopp-Diana gegründet (wurde kurze Zeit später aufgelöst) und später gab es auch noch einen BMW-Iseta-Club (auch ihn gibt es schon lange nicht mehr).

„Wer Geburtstag hat gibt immer eine Runde Ochsenschwanzsuppe aus“, nennt Heinz Koch eine Tradition, die sich schon lange durch den Verein zieht. Abschließend sei allen Heinkel-Freunden gesagt: Es gibt ihn noch, diesen wunderschönen Roller. Und das sogar noch im Vlothoer Heinekl- und Contessa-Club. Als einzige Vereinsmitglieder besitzen Günther Freitag und Karl-Heinz Kelle noch ihren fahrbaren Untersatz aus alten („wilden“) Tagen!

Von Lars Schulz

  
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